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Es ist 4 Uhr am Donnerstagmorgen und der Wecker reißt mich unsanft aus dem tiefen Schlaf. Da ich ein wahrer Morgenmuffel bin, habe ich kurzzeitig vergessen, wie sehr ich mich schon seit Wochen auf dieses bevorstehende Abenteuer freue und stopfe mir schweigend die Zahnbürste in den Mund. Ken dagegen ist schon voller Tatendrang, singt und kocht Tee.
40 Minuten später höre ich die Stimmen unserer restlichen Begleiter im Hof: jetzt kann es losgehen. 4 Tage lang geht es zum Eisklettern ins Pitztal nach Österreich.
Mit 5 Personen, 2 Autos und gefühlt einer Tonne Gepäck und Ausrüstung treten wir die knapp 7-stündige Fahrt an.

Unsere Ausrüstung: Eisgerät“>Eisgeräte *

Einige Freunde haben mich leicht entsetzt gefragt, wie ich denn jetzt bitteschön auf die Idee gekommen bin, auch noch einen Eisfall hochklettern zu wollen. Reicht es denn nicht am Fels zu klettern?!

Tja, Schuld daran ist Harald bzw. besonderer Dank geht hier an Harald. Der bietet nämlich im Rahmen des DAV ** (Deutscher Alpenverein) der Sektion Trier diesen Eiskletter-Kurs an. Seit ich letztes Jahr zum ersten Mal davon gehört habe, wollte ich unbedingt diesen Kurs mitmachen und erfreulicherweise waren Ken und ich direkt die ersten, die sich für die Tour 2019 angemeldet hatten und zwei der vier Plätze ergattern konnten.

Nach 7 Stunden Fahrt kamen wir also im verschneiten Stillebach im Pitztal an. Genächtigt wurde in der Pension Edelweiß* bei Traudl, welche aufgrund ihres Alters nur noch wenige langjährige Bekannte bei sich aufnimmt, aber sich daher umso mehr um deren Wohl kümmern kann. Daher gibt hier an dieser Stelle auch keinen Link zur Pension.

Viel Zeit zum Ankommen blieb mir nicht. Kontaklinsen rein, gefühlte 30 Schichten an Klamotten angezogen und los ging es.

 

Der Luibisbodenfall

Der Eisfall beginnt in etwa 100 m Luftlinie hinter der Pension und daher hatten wir einen leichten Zustieg von 5 Minuten. Mit dem weihnachtlichen Winterspeck und der gefühlten Tonne Material am Gurt, war der Körper auch praktischerweise schon nach dieser kurzen Zeit auf Betriebstemperatur.

Beim Luibisbodenfall handelt es sich um einen insgesamt 245 m langen Eisfall, der immer mal wieder Gehpassagen inne hat und aus welchem man an verschiedenen Stellen aussteigen und zu Fuß ins Tal hinabsteigen kann, ohne sich am Seil abseilen zu müssen.
Daher ist der Eisfall gut besucht, gerade von Kletterkursen, und ideal geeignet für uns.

Da wir am Ankunftstag bereits 13 Uhr hatten, als wir am Eisfall ankamen und die meisten von uns zwar schon einmal eine Eisschraube und einen Eispickel bei Hochtouren in der Hand hatten, aber noch nie wirklich damit klettern mussten, blieben wir in der ersten Seillänge von 60 m. Glücklicherweise gab es außer einem Kletterer, der solo (Das heißt ein verrückter Mensch, der ohne Seil und Sicherung klettert) vor uns an das Eis ging, niemanden dort.

Dann ging es auch schon in die erste Route. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl nicht mit seinen Händen zu klettern, sondern Eisgeräte zu benutzen. “Wie genau schlägt man? Wie fest schlägt man? Wann weiß ich, ob mich der eingeschlagene Pickel auch hält? Ist das normal, dass das Eis so splittert? Wann muss ich mir eine neue Einschlagstelle suchen?”

All diese Fragen galt es zu beantworten. Und zwar durch eigenes Ausprobieren. Man hörte also viel KLOPF KLOPF, HARAAAAALD und ACHTUNG EIS. Denn nicht wenig löste sich das Eis beim Schlagen und schlug in größeren Brocken und mit nicht wenig Geschwindigkeit unten neben die Sicherer ein. Manch einer verlor auch ganz gerne seine Eisschrauben an diesem Wochenende 😀 Ken war auch ganz besonders umwerfend, da ein von ihm gelöster Eisbrocken einen unten stehenden Österreicher an der Schulter traf und dieser wohl aus seinen Tagträumen gerissen das Gleichgewicht verlor und umfiel.

Der Gegensatz zum Klettern in der Halle oder am Fels ist, dass man quasi klettern kann wie man möchte. Man haut oder tritt sich seine eigene Route in den Fels. Ist zwar einerseits praktisch, aber das ist natürlich sehr zeitaufwendig und anstrengend. Daher nimmt das Klettern einer Route im Eis schon sehr viel Zeit in Anspruch.

Womit ich gar nicht so sehr gerechnet hatte, war die Belastung für die Waden. Normalerweise sind meine Unterarme beim Klettern nach einiger Zeit zugepumpt. Hier waren es definitiv die Waden. Denn einmal die Steigeisen halbwegs auf gleicher Höhe in das Eis gehauen, sollte man die Versen herunter drücken, leicht ins Hohlkreuz gehen und der nächste Schlag für den Eispickel kann kommen. Doch leider vergißt man dies als Anfänger ganz gerne und man steht mit dem vollen Körpergewicht auf den Zehenspitzen. Und auch beim Eindrehen von Eisschrauben zog es bei mir ganz schön in den Waden. Daher waren die Treppenstufen am Abend auch ein wahres Dilemma.

Gegen 17 Uhr endete der erste Tag am Eis und hungrig machten wir uns nach einer heißen Dusche über das Abendessen her.

Den zweiten Tag verbrachten wir ebenfalls am Luibisboden-Fall. Aber dieses Mal mit dem Ziel, ihn bis ganz nach oben zu klettern. Eine sogenannte Mehrseillängen-Tour. Das bedeutet: die erste Person ist am Anfang des Seiles eingebunden und die zweite Person am anderen Ende. Die erste Person steigt vor und bohrt in einigem Abstand Eisschrauben in das Eis und hängt das Seil ein. Bevor das Seil ausgeht, sollte der Kletterer im Idealfall dann einen Stand gebaut haben. Also eine Konstruktion aus Eisschrauben und Karabinern, die ihn am Eis hält. Oder mit Seilen an einem Baum. Dann gibt es ein Kommando und die Person unten kann nachsteigen und wird von oben gesichert. Der Nachsteiger sammelt dann die Eisschrauben wieder ein und kommt irgendwann oben bei seinem Partner an. Und dann geht es wieder weiter. Man kann sich das ganze wie eine Raupe vorstellen, deren vorderer Teil des Körpers vorangeht, um den restlichen Teil dann nachzuziehen.

Obwohl wir diesmal recht früh am Eisfall ankamen, waren dort bereits mehrere Seilschaften und alle starteten beinahe gleichzeitig in die Routen. Es war also dezent beengt und man musste sich des Öfteren vor hinunterfallenden Eisstücken ducken.

Nach der ersten Seillänge, die wir ja am Vortag bereits gegangen waren, kam eine etwa 100 m lange Gehpassage. Nach einer kleinen Biegung stand man dann erneut vor einer 60m langen Eiswand. Den Anblick fand ich persönlich wunderschön. Das Eis schimmerte blau, rechts kam gerade die Sonne um den Berg herum und auf der linken Seite waren wunderschöne Eiszapfen zu sehen.

Da die meisten Seilschaften schneller in der ersten Seillänge waren, mussten wir warten, bis wir ans Eis konnten. Die Zeit nutze ich, um Fotos zu schießen und um mich in der Sonne aufzuwärmen.

Denn die Kälte erfasst einen beim Sichern. Beim Klettern ist einem selten kalt, zumal man die ganze Zeit unter Anspannung steht und das Hauen der Eisgeräte und Steigeisen in das Eis ist nicht gerade eine Leichtigkeit. Beim Sichern seines Partners steht man am Eisfall und das vom Schnee genässte Seil gleitet einem durch die Hand. Warum man keine dicken Handschuhe trägt, die einen davor schützen? Man muss halt auch das Sicherungsgerät und die Seile noch händeln können. Das gelingt nicht mit dick gefütterten Fäustlingen.
Daher hat man ein dünneres Paar Handschuhe zum Sichern, welches man sich beim Klettern unter die Jacke an die Brust steckt in der Hoffnung, dass es einigermaßen wieder trocken ist, wenn man wieder sichert.

Wegen der vielen Seilschaften und der damit einhergehenden langen Wartezeit, entschloss sich unser Kursleiter, den Eisall nicht weiter zu erklimmen, sondern an der zweiten Seillänge, welche die Schönste des ganzen Eisfalls sein soll, weitere Routen zu erschließen. Nachdem wir dort also noch einige Zeit kletterten und uns in der Sonne bräunten, seilten wir uns wieder ins Tal hinab zum Abendessen.

Garstiges Liesele

Den Samstag nutzen wir, um einen zweiten Eisfall kennenzulernen. Da dort der Platz nur begrenzt ist, waren wir bereits um 8 Uhr dort, um auf jeden Fall die Ersten zu sein. Der Eisfall ist in etwa 25 m hoch und befindet sich im Nachbarort St. Leonhard. Die Schwierigkeitsstufen betragen bis zu WI 5, das heißt 85 bis 90 Grad Steilheit. Die Schwierigkeitsskala beim Eisklettern geht von WI1 bis WI7. Wobei es wie beim Klettern am Fels oder in der Halle auch so ist, dass man leichter Fortschritte in den unteren Schwierigkeitsstufen macht.

Das garstige Liesele stellte sich als wirklich schöner ruhiger Eisfall dar, an welchem ab 10 Uhr auch die Sonne herauskam. Es gab verschiedene Routen, die wir ausprobierten. Wahrhaftig garstig war es auch, eine Route zu Übungszwecken ohne Eisgeräte und nur mit Steigeisen zu klettern. Aber durch solche Übungen und die zahlreichen Tips von Harald fühlten wir uns alle sehr sicher an diesem Wochenende und jeder von uns weiß schon, dass er nicht das letzte Mal am Eis klettern war. Am Garstigen Liesele konnten wir auch eine Eissäule erklettern. Das war nicht nur sehr anstrengend, da diese wirklich 90 Grad betrug, sondern auch abenteuerlich, da man unter dem durchsichtigem Eis noch Wasser fließen sah und das Ganze auch eine feuchtfröhliche Aktion mit vielen Wassertropfen im Gesicht war. Abenteuerlich war es für mich auch, als ich 2 m über der letzten Sicherung kletterte und mir plötzlich beide Füße aus dem Eis brachen und ich auch nur noch an einem Eispickel hing. Ich habe schon einige Anläufe gebraucht, um dann die Steigeisen wieder in das Eis zu hauen, was an einem Arm hängend gar nicht so einfach war. Aber seit diesem Moment wusste ich jedenfalls, dass ich mich auf die Eispickel verlassen kann. Schließlich hing da mein ganzes Körpergewicht an einem Stück Aluminium, welches 1 cm im Eis steckte. Nachdem die Sonne allerdings nun einige Stunden schon auf das Eis schien und man zweimal lautstark ein KNACK vernahm, packten wir sodann unsere Sachen zusammen und ein wunderschönes Wochenende am Eis ging vorbei. Denn Eisklettern ist nicht gerade ungefährlich. Besonders die Gefahr, in eine Lawine zu geraten ist hoch und man sollte sich immer vorher über die tägliche Lawinengefahr informieren. Daher kann ich den Kurs nur empfehlen, um sich erst einmal mit allem vertraut zu machen.

Den Tag ließen wir mit einem leckeren Abendessen ausklingen und am nächsten Tag traten wir nur noch die Heimfahrt an.

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